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Tobias Müller: der Chancen-Versteher

Tobias Müller, Geschäftsführer der Paul Müller GmbH (Foto: Jana Haase / MAV).

Die „Krise“ ist in aller Munde. Manche Beobachter sprechen gar von einer Deindustrialisierung Deutschlands. Angesichts dessen kann es Mut machen, auch einmal auf die Leistungen des heimischen Mittelstandes zu blicken. Die Paul Müller GmbH aus Balve beispielsweise hat mit der Marke Paul Müller Safety einen völlig neuen Markt erobert. Geschäftsführer Tobias Müller sorgt sich zwar auch angesichts von Bürokratiebelastung und Fachkräftemangel. Vor allem aber erzählt er eine interessante Geschichte von Unternehmergeist und Innovationskraft.

Es gab noch keinen einzigen Abnehmer, als die beiden Geschäftsführer Matthias und Tobias Müller ihre Mitarbeiter den ersten Trailer für Elektrofahrzeuge bauen ließen. Eine Entwicklungsabteilung, ausgiebige Marktforschung oder Kontakte zu möglichen Kunden gab es ebenfalls nicht. Nur dieses Bauchgefühl vom Chef: Batterien in Elektrofahrzeugen sind bei einer Havarie schwer zu löschen, der E-Fahrzeugmarkt wird boomen, also könnten sich da Marktchancen für Sicherheitstransporter ergeben.

„Es gibt kaum etwas, das wir nicht verpacken.“

In nur drei Monaten wurde ein Prototyp gebaut. Mit Transportlösungen kennen sie sich aus bei Müller. Seit Jahrzehnten produzieren sie hochwertige Ladungsträger aller Art, insbesondere für die Automobilindustrie. Darunter versteht man – vereinfacht gesagt – großformatige, transportfähige Ladungsträger für Fahrzeugteile, die vom Zulieferer zu den Automobilwerken transportiert werden müssen. Tobias Müller: „Es gibt kaum etwas, das wir nicht verpacken.“

Auch Verpackungen für Batterien gab es schon, allerdings für den stationären Einsatz. Die Firma Paul Müller machte sie kurzerhand mobil und schuf die Möglichkeit, den ganzen Transporter mit Wasser zu fluten. So wird ein brennendes E-Fahrzeug samt Batterie unschädlich gemacht. 

Dann kam Tobias Müller der Zufall zu Hilfe. Ein Geschäftspartner gab den Tipp, eine Marketing-Agentur zu konsultieren, die bereits für Kunden von der Feuerwehr arbeitete. „Das war wichtig“, erinnert sich Müller. „Wir brauchten Know-how und Kontakte in dieser speziellen Welt.“ Gemeinsam startete man das Marketing für die neue Sicherheitslösung. Corona bremste die Entwicklung zwar vorübergehend noch aus. Im Mai 2022 dann wurde Tobias Müller auf der Messe INTERSCHUTZ in Hannover aber völlig überrascht. „Wir sind von Interessenten förmlich überrannt worden“, erinnert er sich.

Start in den Seminarmarkt

Auf der Messe IFBA in Kassel traf das Team von Müller Safety anschließend einen erfahrenen Trainer, der vorschlug, gemeinsam Sicherheitsseminare zu den neuen Müller-Produkten und zum Umgang mit Hochvolt-Batterien anzubieten. Tobias Müller schlug ein und zündete damit eine weitere Stufe der Entwicklung von Müller Safety.

Als der Trainer wegen Gesundheitsproblemen ausfiel, packte das Team von Müller Safety die Gelegenheit beim Schopf und stieg selbst in das Seminargeschäft ein – nicht selbstverständlich für einen Industriebetrieb aus der Metall- und Elektroindustrie. Heute führen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Matthias und Tobias Müller bis zu einem Dutzend Fachseminare pro Jahr durch. Am Frankfurter Flughafen hat man das Sicherheitspersonal von Fraport geschult, in der Mayer-Werft in Papenburg die Werksfeuerwehr. Dort geht es zwar nicht um Autos, das zugrunde liegende Risiko von Batterien ist aber vergleichbar.  

Immer einen Schritt voraus

Die Paul Müller GmbH peilt mit Müller Safety neben der DACH-Region längst auch den skandinavischen Markt an, wegen der großen E-Fahrzeug-Dichte. Tobias Müller weiß aber auch, dass man sich nie zurücklehnen darf. Schon jetzt blickt er noch weiter in die Zukunft: „Batterien werden sich weiterentwickeln und sicherer werden. Braucht man dann noch Havarie-Trailer?“

Längst ist die Paul Müller GmbH schon wieder einen Schritt weiter. Wenn der Klimawandel Waldbrände wahrscheinlicher macht, können die Trailer als mobile Löschwasser-Speicher eingesetzt werden. So genannte Skid Units helfen der Feuerwehr außerdem dabei, Entstehungsbrände rascher zu löschen. Die kleinen Wassertanks passen auf Pick-ups, die geländegängiger und schneller sind als riesige Feuerwehr-LKW.  

Müller Safety ist eine mittelständische Erfolgsgeschichte. Heute steht das Unternehmen auf einem zusätzlichen Standbein, mit dem vor zehn Jahren keiner gerechnet hätte. Ganz nebenbei hat man zudem unter einem anderen Markennamen angefangen, hochwertige Gartenmöbel aus Metall und Holz zu bauen. Damit reagierte Müller in der Corona-Zeit auf den Rückzug der Menschen ins eigene Zuhause. Auch das bringt inzwischen Geld in die Kasse.

Die Rahmenbedingungen stimmen nicht

Kein Zweifel: Matthias und Tobias Müller sind Manager, die Marktchancen sehen, wenn sie sich eröffnen. Tobias Müller sieht aber auch, was sich ansonsten im Umfeld des Mittelstandes tut, und das gefällt ihm nicht: erdrückende Bürokratie, ein hohes Lohnniveau in Deutschland, ein Fachkräftemangel, der kaum noch beherrschbar ist. Hier sitzt die Industrie mit dem Handwerk in einem Boot. Müller: „Was nützen uns die besten Anlagen, wenn sich zum Beispiel kein Rohrleitungsbauer um die Peripherie kümmert?“ Ohne ausländische Arbeitskräfte würde es schon heute nicht mehr funktionieren, sagt er. Gerede über Deindustrialisierung hin oder her – auch Tobias Müller hat für die Zukunft eine bedrückende Sorge: „Wenn es so weitergeht, wird unsere Volkswirtschaft irgendwann kollabieren.“ Bleibt zu hoffen, dass dieses eine Mal seine Zukunftsprognose nicht zutrifft.

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Ausgezeichnete Leistungen

Gleich mehrere MAV-Mitgliedsbetriebe sind unlängst im Beisein von NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur als „Weltmarktführer“ ausgezeichnet worden. Dazu gehören neben der Paul Müller GmbH auch die Rickmeier GmbH aus Balve und die H. BÜSCHE GmbH & Co. KG aus Neuenrade. Müller bekam die Auszeichnung für seine Marktposition mit Paul Müller Safety.