Der Plettenberger Betrieb ist spezialisiert auf hochpräzise Pleuelstangen. Rund 24 Millionen Stück werden jährlich produziert. Ohne Pleuelstangen läuft nichts im klassischen Verbrenner – in der E-Mobilität sind sie überflüssig. Von einem Auslaufprodukt möchten die neuen Gesellschafter trotzdem nicht sprechen. Aktuell ist der Betrieb voll ausgelastet. An der Transformation geht dennoch kein Weg vorbei. Die neue Unternehmensstruktur wird dabei als Vorteil gesehen.
"Wir können flexibler und individueller agieren"
„Für den vorherigen Eigentümer hat sich der Markt nicht so entwickelt wie erwartet. Wir blicken als Mittelständler anders darauf“, sagt Schneider: „Wir können flexibler und individueller agieren.“ An der bereits eingeleiteten Restrukturierung hält die neue Geschäftsführung fest und führt sie konsequent fort. In einem Strategieworkshop wurden 2019 grundlegende Entscheidungen getroffen.
Eine davon: „Wir wollen eine Schmiede bleiben.“ Der Schlüssel zum Wachstum wird in der Diversifizierung gesehen. Aktuell machen die Pleuel für Pkw 56 Prozent und die für Lkw 36 Prozent der Produktion aus. Bis 2030 sollen sich diese Anteile verschieben: Pkw-Pleuel 15 Prozent, Lkw-Pleuel 40 Prozent. Andere Schmiedeteile sollen mit 45 Prozent das Angebot ergänzen.
Strategisch neue Märkte erschließen
Mit neuen Produkten in bestehende Märkte einzusteigen, erfordert viel Zeit und eine gründliche Vorbereitung. Bei oso precision, damals noch Frauenthal Powertrain, hat 2020 das Innovation Lab seine Arbeit aufgenommen. Es ist ein Kernelement der Unternehmensstrategie und beschäftigt sich ausschließlich mit neuen Märkten und Produkten. Aus einem großen Portfolio wurden zehn Kernprodukte ausgewählt, mit denen oso precision in die Zukunft gehen will. Verbindungselemente, Lenkungsteile für Lkw und Komponenten für den Maschinenbau sollen die Abhängigkeit von der Automobilbranche verringern. Die USA wurden als ein neuer Zielmarkt ausgemacht. „2020 haben wir dort eine Vertriebsgesellschaft gegründet, die Präsenz trägt jetzt Früchte“, berichtet Schneider. Erste große Aufträge konnten gewonnen werden.
Eine zweite Säule des Restrukturierungsprozesses ist die Produktivität, zu deren Steigerung zahlreiche Projekte angestoßen wurden. Sechs der zwölf Hammerlinien in der Gesenkschmiede arbeiten voll automatisiert. In der Prüftechnik, unerlässlich für den hohen Präzisionsanspruch, setzt man unter anderem auf Künstliche Intelligenz, war mit selbst entwickelten optischen Prüfanlagen Pionier und hat sich einen Technologievorteil gesichert. Der eigene Werkzeugbau ist sehr gut aufgestellt, kann flexibel auf Kundenwünsche reagieren und soll seine Kompetenzen künftig auch nach außen hin anbieten – ein weiteres, zusätzliches Geschäftsfeld.
Umfassende Kommunikation und kurze Wege
„Ganz wichtig ist uns die Kontinuität zu Kunden und Lieferanten, aber auch zu den Mitarbeitern“, betont Schneider. Während des Übernahmeprozesses haben die drei Gesellschafter viele Gespräche im Betrieb geführt und Überzeugungsarbeit geleistet. Die rund 370 Mitarbeiter profitieren von der neuen Eigentümerstruktur. Die Entscheider sind vor Ort und ansprechbar. Großen Wert legen sie auf eine umfassende, interne Kommunikation. Wöchentlich wird die Belegschaft über anliegende Probleme und Themen informiert.
Eines der drängendsten ist die Energieproblematik. „Die extrem gestiegenen Kosten sind ein massives Problem“, erklärt Schneider: „Die Mitbewerber in anderen Ländern sind da deutlich im Vorteil. Die Politik kümmert sich da ein Stück weit zu wenig.“ oso precision plant auch in diesem Bereich Investitionen, um vom Gas weg zu kommen. „Es ist eine große Herausforderung als energieintensives Unternehmen den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit zu gestalten und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Spätestens 2045 soll die Produktion klimaneutral sein.