Herr Dr. Reinke, welche Auswirkungen hat der Fachkräftemangel auf Ihre Firmenkultur?
Es gibt durchaus noch Fachkräfte auf dem Markt, aber es ist schwerer, an sie ranzukommen. Hochqualifizierte Bewerber haben heute mehrere Arbeitgeber zur Auswahl.
Unsere Fachkräfte sind nicht fertig geschult auf dem Markt zu bekommen. Daher investieren wir in die Weiterbildung der Mitarbeiter und wollen sie dann langfristig an uns binden. Das gelingt, wenn beide Seiten zufrieden sind.
Wir haben viele langjährige Mitarbeiter im Unternehmen, sind so etwas wie eine Familie. In der Energiekrise haben die Mitarbeiter Vorschläge zum Energiesparen gemacht. Nach dem Hochwasser 2021 haben wir zusammen Schlamm weggeschippt. Gemeinsame Problemlösungen schweißen zusammen.
Hat die Notwendigkeit, Fachkräfte zu gewinnen und zu binden, Einfluss auf Ihr strategisches Vorgehen?
Der „Faktor Mensch“ ist grundsätzlich ein strategisches Thema geworden. Wir planen unsere Stellenbesetzungen heute drei bis fünf Jahre im Voraus.
Vor einiger Zeit haben wir die „Einsaler Nachwuchsakademie“ ins Leben gerufen, ein individuelles Entwicklungsprogramm für Führungskräfte. Die Kandidaten wurden über ein Assessment Center ausgewählt und bekamen Angebote wie Meisterschule, Seminare sowie Meister- und Führungskräfteschulungen.
In dem Projekt „Mission Einsal 350+“ haben wir nun unter anderem unser Führungsverhalten auf den Prüfstand gestellt. Zeigen wir Wertschätzung? Kommunizieren wir genug? Übertragen wir Verantwortung? „350+“ steht dafür, dass wir bereits jetzt über das 350-jährige Jubiläum unseres Unternehmens im Jahr 2025 hinausschauen wollen.
Was bedeutet die Auszeichnung durch das Handelsblatt für Sie? Was macht die Qualität Ihrer Ausbildung aus?
Ich war überrascht über die Auszeichnung und habe mich sehr darüber gefreut. Die Ehrung hat den Wert unserer Anstrengungen bestätigt. Die Auszeichnung ist auch gut für die Außendarstellung gegenüber Interessenten für Ausbildungsplätze.
Unsere Auszubildenden werden von Anfang an ernst genommen. Sie können gleich praktisch mitarbeiten und sind in unsere Prozesse integriert. Unter anderem produzieren sie eine eigene Firmenzeitschrift.
Kürzlich haben wir den Azubi eines anderen Unternehmens übernommen. Dort hatte er Probleme, sich zu integrieren. Wir sind hier eine regelrechte „Integrationsfabrik“ und haben gute Erfahrungen mit unterschiedlichen Kulturen gemacht. Interne Grüppchenbildung lehnen wir ab.
Es ist viel von der Generation Z die Rede. Wie erleben Sie Jugendliche von heute?
Man kann die heutigen Jugendlichen gut für digitale Themen begeistern, und sie reagieren auf Ansprache durch digitale Medien. Das Telefonieren sind sie aber kaum noch gewohnt. Lernen müssen sie oft auch etwas über das soziale Miteinander und Umgangsformen im Betrieb. Bei diesen Themen müssen wir uns mehr Mühe geben als früher. Das tun wir. Wer etwas schaffen will, bekommt bei uns eine Chance. Die Einkäufer unserer Kunden sind oft auch junge Leute.
Sie kommen aus einer anderen Generation. Wie empfinden Sie den Kontakt zu den jungen Menschen?
Ich finde den Kontakt mit dem Nachwuchs inspirierend. Wir können gegenseitig voneinander lernen. Was die digitalen Medien angeht, habe ich mir geschworen: Ich werde mich nicht abhängen lassen! (schmunzelt)
Welche Entwicklungen beobachten Sie auf dem Arbeitsmarkt?
Junge Menschen kommen immer später auf den Arbeitsmarkt, häufig erst nach einem Bachelor-Studium. Die meisten Menschen arbeiten heute keine 50 Jahre mehr. Allerdings glaube ich, bei jungen Leuten zunehmend Zweifel zu spüren: Was kann ich mit meinem theoretischen Wissen von der Uni später überhaupt anfangen? Wir stellen gerne Studienabbrecher ein. Darüber hinaus heißt das Erfolgsrezept natürlich: Ausbilden, ausbilden, ausbilden!
Kann die Politik etwas für Sie tun?
Ja, sie soll sich möglichst weit zurückziehen. Traut den Unternehmen einfach zu, gute Ausbildung anzubieten!
Der Leistungsgedanke muss wieder etwas zählen. Die Gesellschaft muss es auch aushalten, dass nicht jeder einen Abschluss bekommt, egal was er geleistet hat. Warum sind wir nicht ehrlich zu den jungen Leuten? Ein guter Mensch kann man auch ohne Studienabschluss sein. Dies als Hinweis an die Bildungspolitik.
Wie sehen Sie die Potenziale und Herausforderungen Ihres Standortes, wenn es um die Fachkräftegewinnung geht?
Ein Unternehmen wie wir rekrutiert seine Mitarbeiter meist aus dem unmittelbaren Umfeld. Die Region hat Vor- und Nachteile. Natürlich hapert es bei Kulturangeboten und ÖPNV-Verbindungen. Aber wir haben gleichzeitig auch einen hohen Erholungs- und Freizeitwert, einen positiven Wohnungsmarkt für Familien und einen großen Zusammenhalt in der Bevölkerung. Das sind nur einige Stärken kleinerer Orte.