Schwierige Wirtschaftslage
Tijen Ataoğlu unterstrich, dass Wirtschaftsthemen aktuell zu den wichtigsten unter den Wahlkampfthemen zählen. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich ein lebhafter Austausch zu der Frage, wo die heimischen Betriebe momentan der Schuh drückt.
Özgür Gökce skizzierte eine sehr schwierige wirtschaftliche Lage, die sich auch in der aktuellen Konjunkturumfrage des Verbandes bestätigt habe. „Unternehmen hinterfragen Investitionen in der Region, insbesondere internationale Konzerne ohne besondere Bindung an den Standort“, so Gökce. In der Automobilbranche seien Verlagerungen ins Ausland im Gespräch. „Durch die Krise in der Autoindustrie“, so Gökce, „erwarten wir mittelfristig 10 bis 15 Prozent Beschäftigungsrückgang in der Region.“
Der Geschäftsführer verwies auf einen vernünftigen Tarifabschluss, der 2024 gelungen sei. Aber: Steigende Lohnnebenkosten, etwa für die Pflege- und Krankenversicherung, sorgten dafür, dass die Lohnerhöhung beim Arbeitnehmer kaum ankomme. Der Arbeitgeber hingegen habe die Tariferhöhung zu tragen und zusätzlich die steigenden Lohnnebenkosten. Hier handele es sich um strukturelle Schieflagen, die über Tarifverhandlungen nicht zu lösen seien.
Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels müsse das „Gesamtpaket“ in Deutschland wieder stimmen. „Momentan ist der Standort für ausländische Fachkräfte nicht interessant“, so Gökce „Und ungesteuerte Migration stärkt die politischen Ränder.“ In Zeiten, in denen der Mittelstand seinen Wohlstand schwinden sehe, entstehe ein gesellschaftliches Problem.
„One in, two out“
Als es um das Thema Bürokratiebelastung ging, wurde das Lieferkettensorgfaltsgesetz als Beispiel angeführt. Özgür Gökce: „Hier wird die Verantwortung entlang der Lieferkette durchgereicht.“ Mittelständische Betriebe müssten zum Teil neues, letztlich unproduktives Personal einstellen, um den zusätzlichen Anforderungen gerecht zu werden – mit den entsprechenden Kosten. Kleinstbetriebe hätten diese Möglichkeit gar nicht. Auch das Erfüllen von Nachhaltigkeitskriterien bei der Kreditvergabe belaste die Unternehmen inzwischen aufgrund der entsprechenden Dokumentationspflichten.
Gleich mehrere Parteien sprechen sich vor der Wahl dafür aus, Unternehmen keine zusätzlichen bürokratischen Belastungen mehr aufzubürden. Wenn es eine neue gesetzliche Regelung gibt, soll dafür eine andere wegfallen. Englisch: „One in, one out“. „Wir gehen noch einen Schritt weiter“, so Tijen Ataoğlu. „‚One in, two out‘ muss das Ziel sein.“
Vollständige Einigkeit herrschte am Tisch, als die Kandidatin die ihrer Meinung nach entscheidende Grundeinstellung zukünftiger Wirtschaftspolitik skizzierte: „Der Staat muss seinen Unternehmern wieder vertrauen.“ Es sei wichtig, dass eine neue Wirtschaftspolitik nach der Wahl erfolgreich sei und Besserung bringe. Angesichts des Erstarkens extremer politischer Kräfte stehe sonst bei der Wahl 2029 „alles auf dem Spiel“.
Gastgeber und Gäste vereinbarten eine Fortführung des wirtschaftspolitischen Austausches. Durch lebendige Kontakte sollen die Anliegen der regionalen Unternehmen in Berlin und Düsseldorf dauerhaft Gehör finden.