Özgür Gökce, Geschäftsführer des MAV, betonte die Bedeutung von Digitalisierung und Industrie 4.0 für die märkische M+E-Industrie und den Mittelstand: „Der Lockdown hat uns hart erwischt, steigende Infektionszahlen machen uns Sorgen. Wir hatten vorher schon einen Abwärtsschwung in der Metall- und Elektroindustrie, Corona hat es noch verschlimmert.“ Man wolle aus dieser Phase gestärkt herauskommen. Gökce: „Wir brauchen gute IT-Fachkräfte in der M+E-Branche in den nächsten Jahren. Deshalb appelliere ich an die Jugendlichen, sich zu bewerben. Digitalaffin sind die jungen Menschen schon, jetzt gilt es zu erkennen, welche tollen Chancen und Möglichkeiten das auch für eine Ausbildung in der M+E-Industrie bietet.“ Im Corona-Jahr kann eine Ausbildung sogar noch bis zum 1. November begonnen werden.
Thomas Reiter, Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung in Bonn, erklärte den Pressevertretern, wie modifizierte Ausbildungsberufe entstehen und stellte die vier neuen Berufsbilder vor. Dabei handelt es sich um die Ausbildungsberufe Fachinformatiker/in für Daten- und Prozessanalyse, Fachinformatiker/in für Digitale Vernetzung, Kaufmann/frau für Digitalisierungsmanagement und Kaufmann/frau für IT-System-Management, – unter andere mit thematischen Bezügen zu Industrie 4.0 und dem Umgang mit dem neuen Mega-„Rohstoff“ Daten. „Bedarfe für Neuordnungen der Ausbildungsberufe melden die Unternehmen den Verbänden. Zusammen mit uns und den Kammern wird der neue zukunftsorientierte Bedarf an das Bildungsministerium gegeben“, sagt Reiter, „Für den IT-Systemelektroniker haben wir zum Beispiel die technischen Grundlagen festgelegt, und beim Fachinformatiker sind die Daten- und Prozessabläufe dazugekommen.“ In allen vier neuen Berufen gibt es zunächst gemeinsame Inhalte, dann findet eine Spezialisierung statt. Die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz wurden ausgebaut, soziale und personale Kompetenzen wurden mehr fokussiert, und es wurde eine gestreckte Abschlussprüfung eingeführt, bei der die Prüfung in zwei zeitlich voneinander getrennten Teilen stattfindet.
Einblicke aus der Praxis lieferten Niclas von Seidlitz-Ludwigsdorf, Head of Human Resources STAUFF Deutschland, Walter Stauffenberg GmbH & Co. KG (STAUFF) und Björn Lux, Global CIO, LUKAD Holding (beide Werdohl).
STAUFF ist ein Hersteller für Hydraulikkomponenten. „Wir müssen als Systemlieferant beim Kunden auftreten, damit dieser alles aus einer Hand bekommt. Vor zehn Jahren haben wir die IT in der LUKAD-Holding zentralisiert“, berichtete Niclas von Seidlitz-Ludwigsdorf über die ersten Schritte im Rahmen von Industrie 4.0, „Es fängt an mit der vernetzten Produktion bis hin zu Schnittstellen zum Zoll, wir brauchen nicht nur gute Produkte, sondern müssen auch schnell liefern. Die Produkt-Zyklen müssen schneller werden. Wir haben viel Automatisierung und Robotik im Einsatz.“ Das stellt auch hohe Anforderungen an Mitarbeiter und Azubis. „Man muss heutzutage vernetzt denken und Informationen verknüpfen können. Alle Dokumente für jeden Mitarbeiter müssen überall immer verfügbar sein“, beschreibt von Seidlitz die sich veränderten Prozesse. „Es gibt auch eine Veränderung im Mindset. Früher galt es. eine Komplettlösung zu finden, heute reichen 85 Prozent Zielerreichung, und die Dinge ergeben sich später. Einzige Voraussetzung ist eine Internetverbindung“, so der Personalleiter. Bei STAUFF werden ganze 1,2 Gigabyte Daten pro Sekunde produziert.
Problematisch sei es aber, passende Bewerber für die neuen Berufsbilder zu finden: Von Seidlitz glaubt, die jungen Leute seien unsicher, was sie in einer solchen Ausbildung erwartet.
Daneben sind soziale Fertigkeiten in den neuen IT-Ausbildungsberufen gefragt. „Auch wenn wir von Werdohl aus agieren, sind wir doch in einer vernetzten Welt zu Hause. Alle Prozesse greifen ineinander, von der Fertigung bis zum Vertrieb. All das wird in der IT vernetzt. “, sagte Björn Lux. Wir haben keine zentralen Rechenzentren mehr, aber die IT-Mitarbeiter haben andere Tätigkeiten in der Wertschöpfungskette übernommen, und wir brauchen sie“, so Lux. Die Azubis müssen allerdings nicht nur die Technik, sondern auch den Menschen verstehen.“
Das sieht auch Jürgen Zeuner, Leiter der Aus- und Weiterbildung, DURABLE Hunke & Jochheim GmbH & Co. KG, Iserlohn, so: „Neben den Noten ist uns auch immer der Mensch wichtig.“ Der Büroartikelhersteller DURABLE denkt über die Ausbildung des Kaufmanns für Digitalisierungsmanagement nach. „Ich bin sehr froh über die Umbenennung des Berufes. Der Informatikkaufmann galt als sehr ‚nerdig‘ und wenig kommunikativ, aber wir brauchen kommunikative Köpfe. Dieser Beruf ist dermaßen wichtig, und auch in Zukunft wird er immer wichtiger – die Schnittstelle zwischen IT und Kaufleuten.“
Das sind die neuen IT-Ausbildungsberufe:
Fachinformatiker/in für Daten- und Prozessanalyse
Der/die Fachinformatiker/in für Daten- und Prozessanalyse wird eingesetzt im Bereich der datengetriebenen Geschäftsprozesse für die Industrie 4.0. Ausgehend von den Daten beschäftigt er sich mit den Arbeits- und Geschäftsprozessen im Unternehmen und entwickelt IT-Lösungen für digitale Prozesse.
Fachinformatiker/in für Digitale Vernetzung
Der/die Fachinformatiker/in im Bereich Digitale Vernetzung arbeitet an den Schnittstellen zwischen Netzwerkkomponenten und cyber-physischen Systemen (= Systeme, in denen verschiedene Komponenten z.B. über das Internet verbunden sind).
Kaufmann/frau für Digitalisierungsmanagement
Kaufleute für Digitalisierungsmanagement sind Profis im Umgang mit Daten und Prozessen aus einer ökonomisch-betriebswirtschaftlichen Perspektive. Sie machen Informationen und Wissen verfügbar, um aus der zunehmenden Digitalisierung wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen; sie „managen“ die Digitalisierung von Geschäftsprozessen auf der operativen Ebene.
Kaufmann/frau für IT-System-Management
Der/die Kaufmann/frau für IT-System-Management analysiert als Expertin/e für die Vermarktung von IT-Dienstleistungen, welches IT-System für eine bestimmte Kundenanforderung benötigt wird. Er berät Kundinnen und Kunden, konzipiert das System und weist die Anwenderinnen und Anwender in die Nutzung ein.
Bei einer Umfrage unter unseren ausbildenden MAV-Unternehmen haben etwa zehn Prozent der Teilnehmer angegeben, in einem der neuen IT-Ausbildungsberufe ausbilden zu wollen. Ob das in diesem Jahr schon geschieht oder wegen Corona dann doch noch verschoben wurde, können wir nicht sagen.
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