Die Neuntklässler der Fritz-Steinhoff-Gesamtschule in Hagen waren gerade zwei Wochen im Praktikum, da war Feierabend. „Die letzte Woche fiel weg. Es gab auch noch keine Nachbesprechung“, sagt Jürgen Lohse von der Studien- und Berufsorientierung der Schule. Die Ausbildungsmesse: ausgefallen. Dabei müsste es jetzt verstärkt an die Suche nach einem Ausbildungsplatz gehen, ans Schreiben von Bewerbungen. „Alle hängen so ein bisschen im luftleeren Raum“, bedauert Lohse.
Praxisnahe Angebote sind ausgefallen
Damit sind die Hagener nicht allein. Berufsfelderkundungstage, Girls’-,Tec- und Eltern-Days, Ausbildungsbörsen, Praktika – die bewährten praxisnahen Elemente der Berufsorientierung sind in diesem Frühjahr komplett weggefallen.
Die Zehntklässler trifft das nicht ganz so hart – viele Ausbildungsplätze waren schon vergeben. Aber wie können die Acht- und Neuntklässler auf den Weg gebracht werden? Und wie kommen die Unternehmen an die Jugendlichen heran? Was nachgeholt werden kann, ist noch unsicher.
Unternehmen suchen online den Kontakt zu den Jugendlichen
In den Vordergrund rücken da digitale Angebote. Auch Firmen setzen zunehmend auf ihre Internetpräsenz. Erfolgreich fährt damit beispielsweise Seissenschmidt in Plettenberg. „Wir bekommen viele Auszubildende über Praktika, aber oft nennen sie im Gespräch auch unsere Homepage“, berichtet Kathrin Groos, Referentin Aus- und Weiterbildung.
Vor vier Jahren habe man die Seite deine-staerke.de neu aufgezogen, professionell von einer Werbeagentur gestaltet und betreut. Sie selbst, aber auch die Azubis steuern Beiträge aus dem Arbeitsleben für den integrierten Azubi-Blog bei. „Gerade die Neugestaltung der Homepage war mit einem großen Aufwand verbunden, aber es zahlt sich aus.“
Unter dem Namen „vdm-karriereschmiede“ ist das Werdohler Unternehmen VDM Metals schon seit einiger Zeit auf Instagram und Facebook vertreten, um zukünftigen Auszubildenden tiefere Einblicke in die VDM-Welt zu geben. Die Social-Media-Kanäle werden von Auszubildenden betreut – „vielleicht nicht immer so perfekt wie von einer Agentur, aber sehr gut und vor allem authentisch“, sagt Sven Haarhaus, Referent Personalentwicklung. Das Homeschooling brachte eine neue Idee: In der VDM Business Challenge spielen Schüler und Schülerinnen am Burggymnasium Altena virtuell ein Unternehmensplanspiel, in dem sie die Rolle eines Geschäftsführers übernehmen.
Der persönliche Kontakt bleibt wichtig
So zukunftsträchtig es auch ist, kann das digitale Angebot den persönlichen Kontakt jedoch nicht komplett ersetzen, so die Einschätzung zahlreicher Experten aus der Berufsorientierung. „Es setzt viel Eigeninitiative voraus. So erreicht man nur einen Teil der Schüler“, weiß Jürgen Lohse. Ähnlich sieht es Karin Gabriel vom Kompetenzzentrum Berufsorientierung Plettenberg (KBOP) der Zeppelinschule.
Dort zahlt sich das eng geknüpfte Netzwerk aus: „Der Stundenplan für den fachgebundenen Unterricht nach den Sommerferien steht.“ Ausbilder aus zehn Unternehmen – „alle sind wieder dabei“ – übernehmen jeweils einmal pro Woche praxisnah den Mathe-, Physik- oder Technikunterricht. Es ist eines von vielen Berufsorientierungs-Steinchen. Sollte eins umfallen, bleiben andere stehen. „Dann müssen wir eben flexibel neue Wege suchen“, sagt Karin Gabriel optimistisch. Von vielen Unternehmen in Plettenberg weiß sie, dass die mitziehen: „Sie denken langfristig.“