Die Männer der ersten Stunde
Erster Vorsitzender des Verbandes war 1948 der Unternehmer Hans Bilstein. Bevor dessen Betrieb in Ennepetal-Altenvoerde 1954 den ersten serienreifen Einrohr-Gasdruck-Stoßdämpfer entwickelte, produzierte er bereits Stoßstangen, Wagenheber und Kräne. Neben der Tarifpolitik ging es Bilstein als Verbandsvorsitzender zunächst in erster Linie darum, die schweren sozialen Probleme der Nachkriegszeit zu bewältigen: Demontagen, Wiederaufbau der Produktion, die Notlage der Bevölkerung, Flüchtlingsströme. Erster kommissarischer Geschäftsführer des neuen Arbeitgeberverbandes war Dr. Helmut Hopp, die ersten hauptamtlichen Geschäftsführer wurden 1949 Dr. Ernst Stedtfeld und 1951 Dr. Wolfgang Gercken.
Überregionale Impulse aus Hagen - Gründung von Gesamtmetall
Von Anfang an gab der Hagener Verband über seinen Vorsitzenden auch wichtige überregionale Impulse. Auf Hans Bilsteins Initiative hin wurde am 27. Juni 1948 der Arbeitgeber-Ausschuss Metall Nordrhein-Westfalen, der spätere Verband der nordrhein-westfälischen Metallindustrie, gegründet. Von 1948 bis 1951 war Bilstein dessen Vorsitzender. Am 25. März 1949 wurde in Schwelm der Gesamtverband der metallindustriellen Arbeitgeberverbände (Gesamtmetall) ins Leben gerufen. Auch hier übernahm Bilstein den Vorsitz. Bei der Gründung der branchenübergreifenden Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände brachte Bilstein ebenfalls die Interessen aus Hagen und Umgebung ein.
Auf Hans Bilstein folgten als Verbandsvorsitzende im Laufe der Jahrzehnte Dr. Paul Pleiger (Witten), Dr. Hans-Joachim Gottschol (Hagen), Georg Dessel (Witten) und Harald Korte (Hagen). Auch sie traten überregional in Erscheinung und unterstrichen so immer wieder die Bedeutung des Hagener Verbandes. Beispielsweise amtierte Dr. Gottschol von 1992 bis 1996 als Präsident von Gesamtmetall. Dr. Pleiger war Präsident der Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände und langjähriger Verhandlungsführer der nordrhein-westfälischen Metall- und Elektro-Industrie.
Vergrößerung durch Fusionen
Ab dem 1. April 1978 gehörte zum Hagener Arbeitgeberverband auch das Gebiet des ehemaligen Arbeitgeberverbandes für Witten und Umgebung. Nach diesem Zusammenschluss führte der Verband wieder seinen traditionellen Namen „Märkischer Arbeitgeberverband“, wie er bis zur Auflösung des Vorgängerverbandes am 1. Januar 1934 üblich gewesen war.
2008 fusionierte der benachbarte Arbeitgeberverband Ruhr/Lenne mit dem Märkischen Arbeitgeberverband zum neuen großen Märkischen Arbeitgeberverband (MAV). So entstand einer der größten regionalen Arbeitgeberverbände in Nordrhein-Westfalen mit heute rund 460 Mitgliedsbetrieben und etwa 60.000 Beschäftigten vornehmlich aus der Metall- und Elektroindustrie. Die Geschäftsstelle in Hagen befindet sich seit 1960 im Haus der Märkischen Industrie, Körnerstraße 25 - 27. Vorher war der Verband in der Hochstraße 74 ansässig, im gleichen Haus wie das Arbeitsgericht Hagen.
Weiterentwicklung des Leistungsspektrums
Neben der Tarifpolitik verstand der Verband es in seinen Anfangsjahren als seine zentrale Aufgabe, „das gedeihliche Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu fördern und sich um die Erhaltung des Arbeitsfriedens zu bemühen“, wie aus Archivunterlagen des MAV hervorgeht. Heute ist das Leistungsspektrum längst deutlich breiter.
Die Juristen des Verbandes sind Experten bei allen Fragen des Arbeitsrechtes, und 1968 begann ergänzend die Unterstützung der Betriebe durch den ersten Verbandsingenieur. Im Themenbereich Arbeitswirtschaft beraten diese Experten Mitgliedsunternehmen heute bei Fragen zu Arbeitszeit, Entgelt und Vergütung sowie Unternehmens- und Produktionsorganisation. Bereits 1971 erfolgte außerdem die Gründung des Werksarzt-Zentrums Hagen-Ennepe-Ruhr mit seinen Schwerpunkten Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit.
Öffentlichkeitsarbeit und Nachwuchssicherung
Auch sonst ist längst klar: Es geht heute in der Verbandsarbeit nicht mehr ausschließlich um Tarifthemen, sondern der MAV hat sich breiter aufgestellt. Beispielsweise durch aktive Öffentlichkeitsarbeit oder das Engagement für Ausbildung und die Beschäftigung von Frauen.
Der MAV betreibt Öffentlichkeitsarbeit im Sinne des heimischen Unternehmertums und führt Maßnahmen zur Nachwuchssicherung durch. Bereits 1962 begann im Arbeitgeberverband die lange Geschichte des Arbeitskreises Schule-Wirtschaft. Lehrkräfte lernen als Multiplikatoren durch Firmenbesuche den Alltag und die Bedürfnisse der Industrie kennen. Daneben schickt der MAV den riesigen InfoTruck der M+E-Industrie alljährlich durch das Verbandsgebiet, um neue Auszubildende für die Branche zu gewinnen.
2015 baute der Verband als alleiniger Träger der Ausbildungsgesellschaft in Letmathe mit einem Investitionsvolumen von insgesamt vier Millionen Euro eine neue überbetriebliche Lehrwerkstatt, die für die gewerblich/technischen Berufe der Metall- und Elektroindustrie bis heute eine Ausbildung auf höchstem technischem Stand garantiert. Ganz grundsätzlich setzt sich der MAV für eine stärkere gesellschaftliche Akzeptanz der dualen Berufsausbildung ein.
Dabei trägt der Verband immer wieder auch aktuellen Rahmenbedingungen Rechnung. Von 2016 bis 2019 beispielsweise führte er Flüchtlingsprojekte in Iserlohn, Hagen und im EN-Kreis durch. Der MAV sprach mit insgesamt einem Dutzend Projektdurchführungen an unterschiedlichen Orten mehr als 100 Flüchtlinge im Verbandsgebiet an. 60 bis 70 Prozent der Praktikanten konnten in eine Ausbildung, Arbeit oder EQ-Maßnahme bei einem Unternehmen vermittelt werden.
In Zusammenarbeit mit der dabei federführenden Hagener agentur mark, zu deren Gesellschaftern der MAV gehört, vermarktet der Verband außerdem das Siegel „Prädikat familienfreundliches Unternehmen“, mit dem sich Betriebe nachweislich familienfreundlich aufstellen und präsentieren können – auch um die Beschäftigung von Frauen zu fördern. Seit 1997 bietet der MAV – zunächst über einen eigenen Bildungsanbieter, dann über das Bildungswerk der nordrhein-westfälischen Wirtschaft – Seminare für Fach- und Führungskräfte an. Auch hier gibt es unter anderem ein eigenes Programm speziell für weibliche Teilnehmer.
Herausforderungen im Laufe der Jahrzehnte
Die Rahmenbedingungen für die Verbandsarbeit waren in all den Jahrzehnten seit 1948 stets herausfordernd. Fachkräftemangel beispielsweise gab es bereits in den Fünfzigerjahren. Ihm begegnete man durch den Zuzug der sogenannten Gastarbeiter. Die Sechzigerjahre brachten kräftige Erhöhungen der Löhne und Gehälter, aber auch eine erste gravierende Rezession – weitere sollten folgen.
Der Kritik linker Kreise als Folge der 68er-Bewegung stellte man sich in Hagen mit intensiver Bildungsarbeit, die über die Grenzen der Region als „Hagener Modell“ bekannt wurde. Neben Seminaren und Diskussionsveranstaltungen zur Positionsbestimmung für die heimischen Unternehmer gehörten dazu auch Studiengespräche zusammen mit den Betriebsräten, die in dieser Form einmalig waren.
In den Siebzigerjahren waren die Unternehmen der Region unter anderem gefordert, für die geburtenstarken Jahrgänge zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Die Achtzigerjahre waren tarifpolitisch durch die Auseinandersetzungen um die Einführung der 35-Stunden-Woche geprägt. Die Neunzigerjahre brachten dann schließlich – nach mehreren Absenkungen der Wochenarbeitszeit im Laufe der Jahrzehnte – tatsächlich die 35-Stunden-Woche.
Der Verband hat insbesondere zu Beginn des neuen Jahrtausends viele Krisen in kürzester Zeit erlebt: Basel II, die Wirtschaftskrise 2008/2009, die Flüchtlingskrise. Aber sicher hätte sich niemand vorstellen können, was sich zu Beginn der 2020er-Jahre noch komprimiert zusammenbrauen würde: die historische Corona-Pandemie, die Hochwasserflut im Verbandsgebiet, weltweite Lieferprobleme für Rohstoffe und Computer-Chips, die Sperrung einer Autobahn-Lebensader der Region und schließlich: ein Krieg in Europa. Angesichts solcher Rahmenbedingungen profitieren Betriebe davon, wenn sie sich in einem funktionierenden Netzwerk mit überregionalen Verbindungen Rat und Unterstützung holen können. Dieses Angebot macht der MAV – jetzt und in Zukunft.
Einige Daten und Fakten im Schnellüberblick:
1948: Gründung des Arbeitgeberverbandes Hagen-Ennepe-Ruhr
1960: Bezug des „Hauses der Märkischen Industrie“ an der Körnerstraße
1962: Start des Arbeitskreises Schule-Wirtschaft
1968: Erstmals Beratung der Mitgliedsunternehmen auch durch einen Verbandsingenieur
1971: Gründung des Werksarzt-Zentrums Hagen-Ennepe-Ruhr
1978: Zusammenschluss mit dem Arbeitgeberverband Witten; Umbenennung in „Märkischer Arbeitgeberverband“
1997: Gründung einer eigenen Abteilung für Weiterbildung mit dem Namen „Arbeitgeber Südwestfalen“ (AGSW); heute: „Standort Südwestfalen“ des Bildungswerks der nordrhein-westfälischen Wirtschaft (BWNRW)
2008: Fusion mit dem Arbeitgeberverband Ruhr/Lenne zum großen Märkischen Arbeitgeberverband (MAV)
2015: Bau einer neuen überbetrieblichen Lehrwerkstatt für die Ausbildungsgesellschaft des Verbandes in Letmathe
2023: 75-jähriges Jubiläum des MAV